In diesen Tagen ist es nicht besonders populär, die Idee der europäischen Einigung zu verteidigen. Die Union wirkt ratlos in ihrem Ringen um einen Ausweg aus der Krise. Die EuropaskeptikerInnen, die schon immer unkten, dass diese Union keine Zukunft hätte, feiern fröhliche Urständ. Und jene, die trotz allem noch auf Europa setzen, machen dies nicht mit Enthusiasmus für die große Idee, sondern aus nüchternem Pragmatismus, um  – wie sie meinen – noch größeres Unheil abzuwenden. Doch auch wenn wir uns heute kaum daran erinnern können oder wollen, so begann doch alles mit einer großen Idee. Einer Idee, welche wir Jüngeren, die aufgrund der Gnade der späten Geburt keinen Krieg erlebt haben, nicht mehr wirklich nachvollziehen können, die uns romantisch, verklärt und überholt erscheint, die Idee nämlich eines friedlichen Europas, das nationalstaatliche Reibereien und nationalistischen Kleingeist überwindet und sich aufmacht, um ein großes föderalistisches Projekt zu realisieren: die Vereinigten Staaten von Europa. Diese Idee einer supranationalen europäischen Einigung wurde übrigens ganz maßgeblich schon in der Zwischenkriegszeit von dem Österreicher Richard Coudenhove-Kalergi vorangetrieben, der die Paneuropa-Bewegung gründete und diese in einem europaweit viel beachteten Buch schon 1923 konkretisierte. Trotz vieler Anhänger in politischen, künstlerischen und intellektuellen Kreisen wie Konrad Adenauer, Bruno Kreisky, Sigmund Freud, Albert Einstein, Aristide Briand, José Ortega y Gasset, Paul Valéry, Rainer Maria Rilke oder Stefan Zweig – wurde erst nach den Schrecken des Zweiten Weltkrieges  konkreter über die Umsetzung der Vereinigten Staaten von Europa verhandelt. Churchill schlug sie vor, Jean Monnet konzipierte sie und Robert Schuman leitete sie ein. Adenauer machte mit. Die Schritte, die gegangen wurden, waren aus politischer Sicht bis dahin undenkbar gewesen: Erstmals gaben Nationalstaaten freiwillig Komptenzen an eine supranationale Ebene ab. Von Anfang an ging es nicht bloß um eine Wirtschaftsgemeinschaft, sondern um ein politisches Projekt, das auch konkrete politische Strukturen und Entscheidungsprozesse entwickelte. Zu den Vereinigten Staaten von Europa kam es trotzdem nicht, denn immer wieder bremsten einzelne Mitgliedstaaten, wenn es um eine weitere Einigung ging, wie zuletzt im Jahre 2005, als der Verfassungsvertrag scheiterte. Und so stehen wir auch in diesen Tagen wiederum vor der Frage, ob wir mehr oder weniger Europa wollen, ob Solidarität über nationale Grenzen hinaus gelten oder ob sie sich wieder zurückziehen soll in ihre staatlichen vier Wände, so wie es vor dem Zweiten Weltkrieg war. Die Lektüre von Coudenhove-Kalergis Buch „Paneuropa“ wäre gerade jetzt wieder besonders lohnend.