Wenn Protestparteien oder Populisten gewählt werden, ist das grundsätzlich ein ganz normaler demokratischer Vorgang. Es ist auch schon oft vorgekommen. Die Mehrheit entscheidet in einer Wahl, die Minderheit hat es zu akzeptieren. Wir wissen auch ziemlich genau, was passieren kann, wenn eine Protestpartei oder ein Populist gewählt wird. Im Prinzip gibt es zwei Möglichkeiten:

1. Die Zähmung:
Die erste Möglichkeit ist, dass der Populist oder die Protestpartei im Amt gezähmt wird. Das passiert meist dann, wenn eine Alleinregierung nicht möglich und eine Koalition nötig ist. Das heißt, dass die Wahlkampfversprechen nicht eingehalten werden und es zu einer Anpassung an das zuvor kritisierte System kommt. Manchmal kommt es sogar zu einer Ausnutzung des Systems früherer Systemkritiker, die sich am Futtertrog der Macht das eigene Tascherl vollstopfen. Im Grunde ändert sich an den politischen Verhältnissen nicht viel, außer dass die WählerInnen sich betrogen fühlen, weil sie im Wahlkampf belogen und manipuliert wurden. Durch die Zähmung wird der Tiger zahnlos. Das ist gut, weil er damit weniger gefährlich ist. Allerdings sind die AnhängerInnen des Tigers schwer enttäuscht und ziehen sich zunehmend aus dem Politischen zurück, denn sie lernen: Die Wahl eines Populisten oder einer Protestpartei hat nichts gebracht. Die weniger Behirnten lassen sich womöglich vom nächsten Populisten auf die gleiche Tour verführen.

2. Die Radikalisierung:
Die zweite Möglichkeit besteht in einer Radikalisierung. Der nun regierende Populist (resp. Protestpartei) setzt tatsächlich die Wahlkampfversprechen um und befördert seine radikalen Kumpanen, wodurch es zwangsweise zu einer Verstärkung der Polarisierung kommt, die bereits im Wahlkampf begonnen hat. Die GegnerInnen formieren sich, ihr Widerstand wird lauter. Der Populist ist gezwungen, entweder einzulenken (also doch noch zahm zu werden, siehe 1.) oder aber eins draufzulegen. Da mit jedem Scheit, das hinzugefügt wird, die Gegnerschaft noch heller auflodert, muss er diese Gegnerschaft zunehmend ausschalten. Das tut er, indem er die Pressefreiheit einschränkt, die Opposition bedroht, die Meinung manipuliert, usw. Er kann nicht mehr zurück, weil er als Gezähmter die Legitimation verlieren würde und muss somit immer weiter gehen, immer autoritärer werden. Das mag den Hardcore-Fans des Populisten gut gefallen, aber die Gemäßigten, die ihn gewählt haben, um den anderen einen Denkzettel zu verpassen oder weil sie seinen neuen, frechen Stil so toll fanden, werden sich wünschen, ihn wieder loszuwerden, damit er nicht zu viel anrichten kann, damit die Polarisierung abnimmt und damit ihre Kinder in sozial friedlichen Verhältnissen groß werden. Sie werden gelernt haben: Die Wahl des Populisten oder der Protestpartei hat nichts gebracht außer Unsicherheit, Feindseligkeit und Unfreiheit.
Fazit: Die Wahl eines Populisten oder einer Protestpartei bringt für gemäßigte Menschen in den meisten Fällen entweder nichts oder nichts Gutes.